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6. August 2017 7 06 /08 /August /2017 16:49

Die Sommerpause geht langsam dem Ende zu. Der Bundestagswahlkampf dürfte an Schwung aufnehmen, obwohl es anscheinend nur noch daraum geht, wer Vizekanzler wird. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung widmet heute seine Aufmerksamkeit einem anderen Thema. Ausnahmsweise zitiere ich in meinem Blog wörtlich:

"Wie unsicher das vermeintlich Sichere ist, davon kann Christel Augenstein, die frühere FDP-Oberbürgermeisterin der Goldstadt Pforzheim ein Lied singen. Sie steht ab kommenden Dienstag, 9.30 Uhr, zusammen mit ihrer ehemaligen Stadtkämmerin und deren Stellvertreter in vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim. Die Oberbürgermeisterin a.D. muss sich wegen dubioser Finanzgeschäfte verantworten, die die Stadt beinahe in den Ruin getrieben hätten. Die Anklage (sie stammt schon aus dem Jahr 2013!) wirft ihr schwere Untreue und weitere Delikte vor. Es geht um "Spread Ladder Swaps", das sind Geld-Wetten auf den Abstand zwischen dem kurz- und langfristigem Zinsniveau; das klingt nicht nur hässlich, das ist es auch – schon deswegen, weil für Kommunen ein Spekulationsverbot gilt. Die Angeklagten haben mit städtischem Geld gezockt und die Stadt in die Jauche geritten. Bei hochspekulativen Zins-, Zinswett- und Gier-Geschäften mit der Deutschen Bank und der US-amerikanischen Bank JP Morgan entstand der Stadtkasse ein Schaden in Millionen-Höhe; ursprünglich war von 77 Millionen Euro die Rede, zuletzt von 57 Million Euro. Nach zwei zivilrechtlichen Vergleichen mit den Banken bleibt Pforzheim immer noch auf einem Verlust von zwölf Millionen Euro sitzen.

Die Pforzheimer Spekulationen gehören zu den neoliberalen Verirrungen, zu denen sich viele Kommunen in ihrer Finanznot vor eineinhalb Jahrzehnten haben verleiten lassen. Auch das Cross-Border-Leasing zählt dazu. Die Gemeinden privatisierten Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Müllentsorgung und Verkehrsbetriebe. In den Maß, in dem die kommunalen Versorgungsbetriebe entkommunalisiert wurden, verloren die Kommunen die Funktion, die sie hatten: Sie waren nicht mehr Schule der Demokratie, sondern nur noch Zwergschule. Das war nicht gut, das war demokratiegefährlich. Und es war zudem oft auch noch finanziell ein Desaster. Die Privatisierungswelle in den Kommunen ist glücklicherweise wieder gebrochen, es gibt überall in Deutschland eine berechtigt große Lust zur Re-Kommunalisierung - bis hin zum Energiesektor.

Der Prozess in Mannheim wegen schwerer Untreue gegen die Ex-Oberbürgermeisterin - er soll bis ins Jahr 2018 hinein dauern - ist die Spitze eines Eisbergs der kommunalen Verirrungen. Der Prozess ist immer wieder verschoben worden; die Mühlen der Justiz mahlen hier besonders langsam. Auf das Urteil der Großen Wirtschaftsstrafkammer in Mannheim warten etliche Gerichte in Deutschland; es gibt nämlich eine ganze Reihe von Städten, in denen Bürgermeister und Kämmerer glaubten, sie könnten mit neoliberalen Zauberformeln Stroh zu Gold spinnen."

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